9. Tag - Montag 25. August

Neue Chemnitzer Hütte 2323 m - Braunschweiger Hütte 2758 m

Mainzer Höhenweg

Kompass-Karte:    43 Ötztaler Alpen
Übergänge:   Weißmaurachjoch 2953 m, Grubigkarle, Silberkar  
Gipfel:   Wassertalkogel 3252 m, Gschrappkogel 3197 m, Wildes Männle 3063 m, Wurmsitzkogel 3079 m  
Hütten:   Rheinland-Pfalz- Biwakschachtel 3242 m, Braunschweiger Hütte 2758 m
Täler:   Keine
Schwierigkeit:     Schwer, fünf Stunden auf über 3000 m
Bemerkung:   Das Wetter muss mitspielen
Losgegangen:   7.00 Uhr    Angekommen:   17.10 Uhr  
Gesamtzeit:   10 h 10 min    Gehzeit:   8 h 30 min
Aufstieg:   1150 m  Abstieg:   721 m
Tiefster Punkt:     2329 m  Höchster Punkt:    3252 m

Höhenprofil



Tagesbericht

Heute müssen wir früher los. Wir haben eine lange, anstrengende hochalpine Etappe vor uns. Der Mainzer Höhenweg ist nicht ohne Schwierigkeiten. Wie schon weiter oben beschrieben verläuft er längere Zeit über der 3000 m - Marke. Es sind Gletscher zu queren. Nur kurze Stellen sind versichert. Laut Beschreibung sind Kletterstellen I-II zu überwinden. Durch meine Testbegehung mit Alfred weiß ich aber, dass die Klettereien und Schwierigkeiten sich in Grenzen halten die wir bewältigen können. Man sollte jedoch nicht außer Acht lassen dass die Bedingungen stark vom Wetter und der Jahreszeit abhängen. Ein paar Wochen verändern die Verhältnisse grundlegend. Der Weg ist nix für unerfahrene Wanderer. Alleine die Tourenlänge (10 Stunden) erfordert einiges an Kondition. Steigeisen oder Pickel sollten zur Ausrüstung gehören. Notabstiege sind rar. Die einzig wirkliche Alternative, in unserer Gehrichtung, zweigt kurz vor dem Wassertalkogel nach rechts ins Pitztal .

Aufstieg ins Weißmaurachjoch


Also brechen wir schon um 7.00 Uhr auf. Hinter der Hütte gehts zuerst gemütlich nach oben. Einem Wegweiser folgen wir nach rechts und steigen auf den Rücken einer Moräne auf. Hier stehen einige Steinmänner und das Weißmaurachjoch, unser erstes Etappenziel, ist gut zu sehen. Auf und neben der Moräne geht´s weiter. Zum Joch steigen wir, unseren Weg suchend, in einer steinigen, schneedurchsetzten Rinne auf. Weiter oben müssen wir uns links halten. Es ist steil, ein paar Drahtseile sind angebracht und wir müssen die Hände zu Hilfe nehmen. Nach 1,5 Stunden sind wir oben im Weißmaurachjoch 2953 m. Von hier könnte man links ins Ötztal absteigen, für einen brauchbaren Notabstieg kommt der Abzweig aber zu früh. Wir brauchen sowieso keinen Notabstieg. Wir steigen weiter auf. Jetzt wird es alpiner und stellenweise auch ausgesetzter. Die 3000er-Marke ist bald erreicht. Die nächsten 5 Stunden werden wir nicht mehr wesentlich unter 3000 m kommen.

vorbei am Grubigkarle


Nach geraumer Zeit und der Querung des "Nördlichen Puitkogelferners" stehen wir in einer Scharte. Ich denk wir sind vor dem Grubigkarle. Auf der anderen Seite müssen wir runter. Mann muss eine steile, mit einer Kette versicherte Felswand, im Abstieg queren. Die Füße finden in einem, schräg nach unten laufenden, Riss Halt. Von dieser Stelle findet man einige Fotos im Internet. Sie wird relativ spektakulär dargestellt. Mit Hilfe der Kette lässt sich das Ganze aber gut meistern.
Siehe Bilder links und rechts.

Danach kommt die Gletscherquerung des "Südlichen Puitkogelferners". Heute kein Problem. Vor einigen Wochen mit Alfred haben wir uns hier mehr anstrengen müssen. Jetzt ist fast kein Gletscher mehr vorhanden und die Querung geht wie von selbst.

Vorbei am Silberkar


Doch schon kommt der nächste Felsaufstieg. Mit Alfred hatte ich Schwierigkeiten den versicherten Einstieg zu erreichen. Wir mussten einen steilen Firnhang absteigen um an die Felsen zu gelangen.
Heute ist es genau anders rum. Wir müssen durch Schnne nach oben. Zwichen dem Gletscher und der Einstiegsstelle ist eine Randkluft. Wir müssen eine steile schneedurchsetzte Schuttrinne queren um an die Felsen zu kommen. Die Sicherungen fangen aber erst ein paar Meter weiter oben an. Also müssen wir ein kleines Stück raufklettern. Als ich oben bin pack ich meine Wäscheleine (6er Reepschnur) aus und nehme sie doppelt. So kann ich den Rest der Truppe nachholen. In der Zwischenzeit überholt uns an unserer Baustelle ein Pärchen das auch auf dem Mainzer Höhenweg unterwegs ist. Der Giri verschmäht meine Wäscheleine und klettert ohne rauf. Danach geht´s ohne Probleme rauf, oben noch eine kurze Querung im Schnee.

Es folgt wieder ein Kettenversicherter Abstieg in einer steinigen Rinne. Hier ist eher der Steinschlag ein Problem. Wir begehen die Rinne einzeln, so kann nix passieren. Oberhalb des Silberkars folgt die nächste Gletscherquerung unter dem Sonnenkogel. Und dann wieder, kurz versichert, in die Felsen. Auch hier zeigt sich dass die Verhältnisse vor ein paar Wochen anders waren. Es gibt zwei versicherte Einstiege. Mit Alfred hab ich damals den oberen noch erreicht. Wir müssen etwa 50 Höhenmeter weiter absteigen um an der andere Stelle die Sicherungen zu erreichen.

Pause und Aufstieg zum Wassertalkogel


Kurz vor 11.00 Uhr erreichen wir unseren Brotzeitplatz. Der Wassertalkogel ist schon in Sichtweite. Wir sind seit fast 4 Stunden nur mit Trinkpausen unterwegs. Das Wetter passt und wir lassen uns nieder. Nicht weit von uns rastet auch das Paar, das uns vor dem Silberkar überholt hat. Hier steht ein Schild "1 Stunde zum Biwak" - das halte ich für ein Gerücht.
Das Paar bricht kurz vor uns auf, um 11.30 Uhr starten auch wir wieder. Mit kurzen Versicherungen geht´s runter von unserem Steinrücken. Eine steinige Querung am Hang folgt. "Mit Alfred musste ich im Firn queren." Das Paar ist nicht weit vor mir. Ich geb etwas Gas um es einzuholen. Das mach ich aus Neugier. Gleich kommt die Stelle an der ich mich mit Alfred verstiegen habe. Rechtzeitig bin ich hinter den Zweien. Ich warte was sie machen. Sie machen genau den gleichen Fehler wie ich vor ein paar Wochen. Ist auch zu blöd hier. Man sucht den Weg. Oben an den Felsen steht in riesigen Buchstaben Mainzer Höhenweg angeschrieben. Ein Band führt um die Ecke. Das ist aber falsch, vielleicht war´s vor Jahren mal richtig. Ich glaube dass hier der Gletscher stark zurückgegangen ist. Jetzt bleibt man auf alle Fälle unten. Ich klär die Zwei auf und warte auf die anderen.

Gemeinsam umgehen wir die Felsnase und streben dem letzten Gletscher vor dem Wassertalkogel zu. Hier haben wir den ersten Gegenverkehr. Ich leg die Steigeisen an, Birgit und Christa auch. Giri und Roland wollen nicht, sie wollen den Gletscher rechts im Geröll umgehen. Auch gut, machen wir eben ein Rennen. Bis wir unsere Steigeisen dran haben sind die anderen schon halb oben. Wir schaffen es nicht mehr ganz vor Giri und Roland, na gut wir haben verloren.

Jetzt geht´s über den Grat das letzte Stück rauf zum Gipfel. Etwa 100 Meter unterm Gipfel geht hier der Notabstieg runter ins Pitztal. Der Grat ist nicht sonderlich schwer, trotzdem muss man schon manchmal die Hände nehmen. Ab jetzt ist auch Schluß mit Versicherungen, den Rest des Weges muss man etwas kraxeln können.
Um 13.00 Uhr erreichen wir den Wassertalkogel 3252 m mit der Rheinland-Pfalz-Biwakschachtel 3242 m.
Das ist für heute und für die ganze Alpenüberquerung unser höchster Punkt.
Wir machen Bilder, das Paar ist auch noch da und macht ein Foto von uns allen. Danach setzen wir uns ins Biwak und essen nochmal kurz was. Als wir um 13.20 Uhr weitergehen, kommt uns noch eine kleine Gruppe entgegen. Das ist dann auch die letzten Begegnung für heute. Darann kann man erkennen, dass der Mainzer Höhenweg kein normaler Wanderweg ist. Schon bei gutem Wetter sind hier nicht die großen Massen unterwegs.





Weiter auf dem Grat


Jetzt geht´s auf dem Grat weiter, in leichtem Auf und Ab. Tendenziell geht´s aber abwärts. Wie gesagt, der höchste Punkt ist überschritten. Manchmal laufen wir auf runden Rücken, dann kommen wieder Kraxelstellen. Kleine Gendarmen müssen umgangen werden, manches wird überklettert. Drei 3000er-Gipfel stehen im Weg und werden überschritten. Der Gschrappkogel 3197 m das Wildes Männle 3063 m und der Wurmsitzkogel 3079 m. Durch das ständige Auf und Ab weiß man aber gar nicht genau wann man auf welchem Gipfel ist.
Irgendwo sind noch 2 m Leiter eingebaut um eine IIIer Kletterstelle zu entschärfen. Das bleibt aber nach dem Biwak die einzige Versicherung auf dem Grat.



Wir treffen unerwartet unsere Abweichler - Gerti und Ully


Etwa um 14.30 Uhr klingelt mein Handy im Rucksack. Das ist ungewöhnlich, normal hab ich das Ding in den Bergen ausgeschaltet. Ich hab gerade keine Hand frei. Bis ich ran kann ist der Anruf weg. An der Nummer seh ich dass es Gerti war, sie ist ja wie bekannt mit Ully auch zur Braunschweiger Hütte unterwegs. Ich versuch zurückzurufen, krieg aber keine Verbindung. Ich lass das Handy an und steck es in die Tasche. Kurz drauf kommt eine SMS. Daraus entziffere ich, dass sie den geplanten Übergang übers Pollesjoch nicht geschafft haben und versuchen auf den Mainzer Höhenweg aufzusteigen. Ich weiß nur noch nicht genau wo. Ich schau in die Karte und vermute den ihnen am nächsten gelegenen Übergang. Da kommen wir nicht vorbei und es ist noch ein ganzes Stück bis dahin. Ich sag den anderen Bescheid. Ich will ihnen entgegen gehen um sie abzuholen. Ich leg also einen Zahn zu. Bald hab ich das Pärchen, das vor uns unterwegs ist, überholt. Ich komme an die erste Abzweigung. Hier kommt ein Weg rauf aus dem Ötztal. Ich schaue nach unten und rufe. Nichts, keine Antwort. Ich eile also weiter. Jetzt wird auch das Gelände leichter und ich komme schneller voran. Doch es dauert nicht lange da hör ich von Hinten Rufe. Ich dreh mich um und seh die anderen winken. Jetzt wird mir klar dass Gerti und Ully trotzdem hier raufkommen. Ich drehe um und gehe zurück zum Abzweig. Jetzt sehe ich die beiden, sie haben´s nicht mehr weit. So treffen wir uns alle wie durch ein Wunder um 15.45 Uhr auf dem Mainzer Höhenweg auf etwa 2950 m.
Ully ist heilfroh wieder beim Haufen zu sein.

Das letzte Stück und - die Vertreibung


Gemeinsam gehen wir weiter. Das Gelände ist hier nicht mehr schwer und bald haben wir den Abzweig zum Franz Auer Steig erreicht. Wir müssen in eine Senke absteigen um danach den letzten Gegenanstieg zu nehmen. Über ein Firnfeld erreicht man eine kurze, mit Ketten versicherte Stelle. Danach sind wir bald oben. Hier treffen wir auf den gut angelegten Pfad der vom Pitztaler Jöchl kommend zur Hütte führt. Der letzte Abstieg ist ein Kinderspiel. Nach 10 Stunden 10 Minuten erreichen wir alle gemeinsam um 17.10 Uhr die Braunschweiger Hütte 2758 m. Die Hütte ist relativ voll, hier führt nämlich der E5 vorbei. Trotzdem bekommen wir ein Lager. Ully muss zur spätere Stunde noch einen Hund vertreiben samt Herrchen, die sich auch bei uns einquartieren wollten. Da kennt Ully keinen Spaß.

Abends erzählen uns Gerti und Ully ihre Odysse in den Bergen:

Ully und Gerti gehen um 8.00 Uhr von der Vorderen Pollesalm 1778 m los. Es dürfte heute eigentlich kein langer Tag werden. Etwa 1100 Hm aufsteigen, dann 200 m runter bis zum E5. Wieder 200 m rauf über das Pitztaler Jöchl und dann, nicht mehr weit neben dem Karleskopf zur Braunschweiger Hütte.
Das könnte ein Waschtag werden.
Bis zur Hinteren Pollesalm (nur ein Stall) führt ein Fahrweg. Den benutzt der Almwirt um zu seinen Tieren zu kommen. Dann geht´s weiter auf einem schönen, gut markiertem Weg das Pollestal entlang. Im Urfeld auf ca. 2500 m machen sie eine Trinkpause.
Danach geht´s auf etwa 2700 m vorbei an der ersten möglichen Abzweigung hinauf zum Mainzer Höhenweg. Da Ully keinesfalls auf den Mainzer Höhenweg will, verschmähen sie diese Möglichkeit. - Das wird sich noch rächen - Auf 2800 m, direkt vor dem kleinen Pollesferner, endet jede Markierung. Laut Karte führt jetzt ein Weg links an einer Felsnase vorbei, am rechten Rand des Ferners hinauf zum Mainzer Höhenweg. Direkt rechts neben dem Polleskogel würde man darauf auf den Mainzer Höhenweg kommen. Dieser Teil des Mainzer Höhenwegs wird aber wegen Steinschlag momentan umgangen, das weiß Gerti von meiner Erkundungstour. Man müsste dann also ein Stück zurück auf dem Mainzer Höhenweg um auf den Franz Auer Steig zu gelangen.
Links davon ist der Übergang der geplant war, direkt rechts neben dem Dreizeiger muss man durch. Auf der anderen Seite würden sie gleich auf den E5 stossen. Somit könnten sie den ganzen Mainzer Höhenweg umgehen. Sie finden jedoch keinerlei Markierung, Steinmännchen oder auch nur Trittspuren. Auch über den Gletscher führt keine Spur. Es ist 12.00 Uhr, und die beiden entscheiden sich um.

Erster Überschreitungsversuch:

Anstatt den ursprünglich geplanten Übergang neben dem Dreizeiger zu versuchen steigt Gerti erst mal in Gehrichtung am rechten Rand des Pollesferner auf. Rechts bleibt die Felsnase liegen. Doch, auch hier finden sie keine Steinmännchen oder Trittspuren. Voraus im steilen Gelände ist nur Geröll zu sehen. Links hat Gerti eine gute Sicht auf den Weg der ursprünglich als Übergang geplant war. Aber auch dort ist kein Steiglein zu sehen, auch da nur Geröllhänge. Aber direkt voraus, das sieht nur Sch... aus. Also erst mal wieder zurück zu Ully und zur letzten Markierung.

Zweiter Überschreitungsversuch:

Obwohl´s links beim ursprünglich geplanten Übergang auch nicht gut ausgesehen hat, entscheiden sie gemeinsam es nun trotzdem da versuchen zu wollen. Es sind ja nur 100-150 Höhenmeter zu überwinden. Also unten rum um den kleinen Pollesferner. Der bleibt nun rechts liegen, Ully will nicht da drüber, das wär kürzer gewesen. Oben queren sie trotzdem rechts in den Ferner rein. Gerti geht erst mal alleine voraus um zu sehen ob`s geht. Es sind lauter Wackelsteine, das erste Stück geht schon irgendwie. Aber dann wird`s immer schlimmer, Gerti hat Angst dass der ganze Hang unter ihr zu rutschen beginnt. Sie gibt Ully Bescheid dass sie schnellstmöglichst unter dem Hang weg muss. Das geht am schnellsten zurück über den Ferner. Ully bastelt die Steigeisen hin und tritt den Rückzug an. Erst als Ully weg ist bewegt sich Gerti wieder, nun vorsichtig bergab. Mit jedem Schritt wird es wieder besser. Raus aus dem gefährlichen Hang und runter über den Ferner. Es hätten nur noch 50 Höhenmeter gefehlt und sie hätten den Übergang geschafft gehabt.

Dritter Überschreitungsversuch:

Jetzt bleibt nur der Abstieg zum Ausgangspunkt um sich durch´s Tal nach Vent durchzuschlagen. Oder die am Anfang verschmähte Möglickeit - von unten gesehen den rechten Weg zu nehmen und direkt auf den Mainzer Höhenweg aufzusteigen. Notgedrungen erklärt sich nun auch Ully bereit die anfangs empfohlene Route doch mitzumachen. Also wieder runter auf 2700 m und beim ersten Abzweiger in Aufstiegsrichtung rechts weg. Dieser Weg ist auch super markiert. Auf 2800 m machen die beiden ihre schwer verdiente Pause. Die letzten Stunden hatten sie nicht viel Erholung, jetzt fällt die Annspannung etwas ab. Der Weiterweg sieht gut aus. "Hier könnten wir es schaffen."
Hier versucht Gerti auch mich anzurufen und schickt mir dann die SMS. Auf etwa 2900 m sehen sie dann jemanden und rufen, aber anscheinend war das das Pärchen. Erst kurze Zeit später sehen sie mich in die falsche Richtung laufen und rufen nochmal. So treffen wir uns um 15.45 Uhr "zufällig" auf dem Mainzer Höhenweg wieder.

Das mit dem Waschtag wird wohl nichts mehr werden.


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